Page 16 - LEX Magazin 1-2017
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TITELGESCHICHTE
STRESS(BEWÄLTIGUNG)
Ende 2014 gaben 60 % der Deutschen bei der Fra- ge nach Ihren Vorsätzen für 2015 an, sie wollten Stress reduzieren. Das war Platz eins in der von der DAK-Gesundheit in Auftrag gegebenen, und vom In- stitut Forsa durchgeführten Umfrage. Auf Platz zwei und drei folgten mit mehr Sport (55%) und mehr Zeit für die Familie (48%) Themen, die zur Stressbewältigung beitragen können.
Stress bekommt in dem Zusammenhang ein stark negatives Image. Dabei ist Stress ein wichtiger Fak- tor, der ursprünglich – im positiven Sinne – im Kör- per wie ein Turbo auf bevorstehende Herausforde- rungen wirkt. Kampf oder Flucht, dafür galt es optimal gewappnet zu sein. Heutzutage hilft es – zum Beispiel Läufern an der Startlinie – gut vorbe- reitet auf den Startschuss zu reagieren. Was passiert also physiologisch bei Stress, welche Risikofaktoren sind damit verbunden? Welche Auswirkungen hat welcher Stress? Welche Strategien zur Bewältigung und zur Vorbeugung gibt es?
Was ist Stress?
Was wir heute als Stress bezeichnen, ist ein lebens- wichtiger Schutzmechanismus den es seit den An- fängen der Menschheit gibt und bei Gefahr für Leib und Leben über das Gehirn ausgelöst wurde. Der Urmensch war in der Natur unterwegs und sah sich plötzlichen Bedrohungen ausgesetzt, auf die er re- agieren musste. Flucht oder Kampf – schnell musste eine Entscheidung getroffen werden. Dazu brauchte der Körper optimale Bedingungen. So wird das Kreislaufsystem (höherer Herzschlag und höherer Blutdruck) aktiviert, die Energieversorgung (Koh- lenhydrate und Fette werden schneller als normal ins Blut ausgeschüttet) beschleunigt, die Kampfbe- reitschaft (durch die Ausschüttung der Hormone Adrenalin und Kortisol ins Blut) wird wie ein Turbo auf allerhöchstes Aktivitätsniveau hochgefah- ren. Während des Kampfes oder auf der Flucht wer- den die Energie und die Hormone verbraucht. Da- nach fahren alle Systeme wieder runter. Die Herzfrequenz und der Blutdruck sinken auf norma- les Niveau ab. Es beginnt eine Erholungsphase, eine Wiederherstellungsphase, deren Länge sich auch nach der Größe des Kampfes richtet. Dies hat nicht nur den Sinn, sich richtig auszuruhen und Kräfte zu sammeln, sondern auch einen Trainingseffekt für den Körper im Umgang mit Stress. Dieser Effekt soll- te bei der nächsten Herausforderung dazu führen, besser mit der Situation fertig zu werden (Stresstrai- ning). In unserer modernen Gesellschaft spielen
Flucht und Kampf kaum noch eine Rolle, dafür gibt es erheblich mehr Stressoren durch psychische Be- lastungen und Herausforderungen, die die gleichen Reaktionen auslösen. An erster Stelle tauchen in Umfragen Zeitdruck auf, der bei der Arbeit aber auch und/oder im persönlichen Bereich und in der Freizeit auftritt. Persönliche Schicksalsschläge, hier im Besonderen Trennungen vom Partner oder der Tod eines Kindes, können Menschen über viele Jah- re psychisch überfordern.
Was bewirkt Stress?
Die körperlichen Reaktionen wurden oben beschrie- ben. Sie schützen den Menschen, wenn die Balance zwischen Herausforderungen und Erholungsphasen im Einklang ist. Problematisch wird der Stress, wenn er ohne zwischenzeitliche Erholung und Regenerati- on über Monate und Jahre zum Dauerstress wird und weitere Anforderungen dazu kommen. Anforderun- gen, die für sich betrachtet problemlos zu bewältigen sind, bekommen dann eine negative Bewertung, wenn keine Entspannung dazu kommt. Wenn man anfängt, vorher positiv bewertete Arbeiten, Situatio- nen, Aufgaben als immer unangenehmer zu bewer- ten, befindet man sich schon in der Überforderung. Der Körper wird permanent auf einem hohen Aktivi- tätsniveau gehalten. Das heißt der Blutdruck bleibt hoch (die Gefäße werden dauerhaft belastet), es wer- den weiter Blutfette (Ablagerungen in den Gefäßen) und Zucker (Überforderung der Bauchspeicheldrüse, Diabetesgefahr) ins Blut ausgeschüttet. Ebenso ist es mit den Hormonen Adrenalin und besonders Korti- sol, sie bleiben dauerhaft im Blut (schädigt die Kon- zentrationsfähigkeit und das Gehirn), das Immunsys- tem muss ständig arbeiten und kann sich nicht erholen, die Muskulatur (Dauerverspannungen mit schmerzhaften Folgen z.B. für den Rücken oder Na- cken) kommt nicht zur Ruhe, das Verdauungssystem reagiert (Bildung von Magengeschwüren), ebenso das Ohr (Hörsturz). Die Auswirkungen gehen auf das gesamte Herz-Kreislaufsystem. Bei den Auswirkun- gen auf die Seele gibt es immer häufiger das „Ausge- branntsein“ oder auch Burn Out, welches unbehan- delt zu Depressionen führt.
Therapie und Vorbeugung
Als wichtigsten Aspekt muss man sich klar machen, dass Stress grundsätzlich nichts Schlechtes ist. Rich- tig erkannt und eingesetzt bringt er uns weiter, wir sind im positiven Sinn bereit für höhere Aufgaben und Anforderungen. Das funktioniert allerdings nur,
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